Erbarmungsvoll Hoffnungsvoll
Was braucht unsere Welt heute? Ein Plädoyer für mehr Hoffnung im CVJM und Kirche.
Es sind keine Neuigkeiten, wenn ich schreibe, dass die Anzahl der Kirchenaustritte seit Jahren zunimmt. Gemeinden schrumpfen zusammen. Auch CVJM- Vereine verkleinern sich oder lösen sich auf. Wir leben in einer Zeit, wo Kirche und Glauben den Menschen fremd geworden sind. Es wird nicht mehr verstanden, was Glauben heißt. Zeitgleich boomt der Markt der Spiritualität. Es ist die Chance mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Zudem beobachte ich, dass unsere Nachrichten, die wir teilen, immer negativer werden. Es scheint eine Generation der Hoffnungslosigkeit heranzuwachsen. Denn warum noch etwas investieren, wenn die Klimakrise alles niederbrennt? Warum viel arbeiten, wenn bis zum Burnout arbeiten vorgelebt wird und die Rente sowieso nicht mehr sicher ist? Warum Familie gründen, wenn die Ressourcen schon verbraucht sind? Es sind gute und wichtige Motive. Es ist nur fraglich, wohin sie mich führen, wenn nicht ins Hoffnungsvolle. Wir leben in einer der besten Zeiten. Noch nie gab es so viel Wissen, Wohlstand und Kommunikationsmöglichkeiten. Und dennoch leiden Menschen unter Vereinsamung, Sinnlosigkeit und psychischen Erkrankungen. Unter Hoffnungslosigkeit.
Dem gegenüber steht Jesus. Was sagt Jesus dazu?
Jesus provoziert. Er sagt: Ich will euch die Fülle des Lebens geben. (Johannes 10, 10) Er verspricht nicht, dass wir alles haben, was wir uns wünschen. Dass wir erfolgreich, gesund und unbeschwert durchs Leben kommen. Sondern er ermöglicht uns ein Leben mit Gott. Wenn wir uns für ein Leben mit Gott entscheiden, heißt es nicht, dass wir befreit sind von Leid. Aber es ermöglicht uns, tiefe Dankbarkeit zu empfinden und im Einklang mit unseren Grundsätzen zu leben. Das ist der Unterschied zu Menschen, die in Angst und Unsicherheit, in Unzufriedenheit und Neid leben. Er bringt Hoffnung ins Spiel. Wir sind Träger dieser Hoffnung oder wir haben das Evangelium nicht verstanden. Petrus bringt es auf den Punkt in 1. Petrus 3, 15: »Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.« Leben wir in dieser Hoffnung?
Um diese Fülle nicht nur persönlich zu erleben, sondern auch in unserer Gruppe, unserem CVJM oder unserer Gemeinde, braucht es aktive Gestaltung der Zukunft. Wir leben in permanenter Veränderung und deshalb braucht es Menschen, die diese Veränderungsprozesse geistlich leiten und entwickeln.
Dabei sind drei Dimensionen zeitgleich zu bedienen:
Menschen, Struktur, Geistliches.
Menschen sind unterschiedlich schnell. Wir brauchen Beziehung zu ihnen, um Veränderung gemeinsam möglich zu machen.
Strukturen sind Gefäße, die passen müssen. Sollte das nicht mehr der Fall sein, müssen sie verändert werden. Menschen und Strukturen verbindet die Gabenorientierung. Wenn ich mit Haupt- und Ehrenamtlichen arbeite, dann sollte nicht die Aufgabe im Fokus stehen, sondern die Gaben und Fähigkeiten, die Menschen mitbringen. Das ist oftmals ein Widerspruch zu den Strukturen, den es endlich zu überwinden gilt.
Die dritte Dimension ist das Geistliche. Wir sind als christliche Organisation unterwegs. Deshalb braucht es lebendiges geistliches Leben. Die Verbindung zwischen Struktur und Geistlichem ist die Erkenntnis. Sie kann uns helfen, eine Vision, ein Bild von der Zukunft zu entwickeln, was attraktiv ist. Bei einem hoffnungsvollen Bild werden sich Menschen (neu) begeistern lassen, ein Teil davon zu werden. Richte ich meinen Blick im Zukunftsbild auf den Mangel und die Schwierigkeiten in den Strukturen, werden Menschen nicht bleiben oder dazu kommen. Das geistliche Leben und die Menschen, die mit uns unterwegs sind, verbindet das Gebet. Es ist unser stärkstes Tool, wenn wir miteinander und füreinander beten.
Im Römerbrief 12, 2 heißt es: »Richtet euch nicht länger nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist.«
Wir sind also zur Transformation, Verwandlung oder auch Metamorphose aufgerufen. Und dabei müssen wir es nicht selbst tun, sondern Gott wird uns verwandeln. Er verwandelt in das, was ER schon sieht. Das wird gut und vollkommen sein.
Das erfordert aber kein passives Abwarten, sondern ein größeres Denken. Wir sind aufgefordert, unser Denken umzukehren und eine vorwärtsgerichtete Haltung einzunehmen, in Gottes Dimensionen zu denken.
Um diese andauernde Veränderung in Bewegung zu halten, braucht es zwei Haltungen. Die aktive Haltung ist unser Tun. Dabei steht die Frage im Raum, was wir wirklich brauchen, es zu verstehen. Danach gilt es, Entscheidungen zu treffen und diese auch umzusetzen. Das zweite ist die empfangende Haltung. Es liegt Kraft im Innehalten, im hörenden Gebet, im Empfangen. Im Prozess von Gott alles zu erwarten, was er dazu für nötig erachtet.
Wenn Jesus uns als die Fülle des Lebens für dich persönlich verspricht, für deine Gruppe, deinen CVJM, deine Gemeinde, dann schau nicht nur auf deine to do. Leg die Strukturfragen zur Seite. Kreise gedanklich nicht um die fehlenden Menschen.
Halte inne, suche Stille und lass dich von Gott erfüllen. Suche Menschen in deinem Umfeld mit Weisheit und geistlicher Deutungskompetenz. Schau auf die Menschen, die noch nicht da sind. Entwickle ein Ziel, das lockt und eine reizvolle Perspektive hat. Kreiere neue Idee und nicht gleich Pläne dazu.
Sammle Menschen, die da sind und entfache das Feuer neu, geistlich miteinander unterwegs zu sein. Gott wird handeln, wenn wir einen heiligen Raum neu aufmachen, wenn wir Gottes Verheißungen ernst nehmen und die Geistesgaben von Menschen wieder zum Einsatz kommen.
Veränderungsprozesse, die mit oder ohne uns passieren, werden gut geleitet, wenn wir uns von Jesus leiten lassen. Werde hoffnungsvoll zur Zukunftsgestalterin oder zum Zukunftsgestalter, indem du dich neu auf Jesus ausrichtest. Dann lass dich ermutigen Veränderungen aktiv zu gestalten.
Nicole Fraaß
Fachlich-pädagogische leiterin im CVJM Thüringen